Spaziergang zu Orten jüdischen Lebens in Köln

Ich lehre Geschichte, damit aus Wissen auch Gewissen wird. Mit diesen Worten entließ uns Historikerin Annika Triller vor wenigen Stunden aus einem Spaziergang durch die Kölner Innenstadt, zu Orten des Aufkeimens, der Vernichtung und des Fortbestehens jüdischen Lebens. Katharina organisierte diese Führung im Rahmen der Reihe Entdecke deine Stadt der ökumenischen Familienwerkstatt Höhenberg-Vingst.

Bei Annika waren wir in sehr guten Händen, sowohl fachlisch, als auch didaktisch und menschlich. Sie führte uns vom Alter Markt zur Miqua und weiter zum 4711-Haus; dann zum Neumarkt und der schicksalhaften, so nicht mehr existenten Adresse Marsilstein 20; und schließlich durch die Beethovenstraße zur Synagoge in der Roonstraße. Inhaltlich deckte sie dabei die Anfänge der jüdischen Gemeinde in Köln um 321 ab, genau wie das jüdische Leben im Mittelalter und unter den Franzosen und Preußen. Dabei betrachtete sie die Geschichte der Jüdinnen und Juden Kölns nicht isoliert, sondern immer im Kontext anderer historischer Ereignisse, wie der Reformation oder der Kreuzzüge.

Die zweite Hälfte der zweistündigen Tour handelte vor allem vom Dritten Reich und damit dem sicher dunkelsten Kapitel. Annika las uns aus einem Brief von 1994 vor, den ihr ihre Brieffreundin Lotti damals geschickt hatte. Lotti war eine aus Köln nach Schweden geflüchtete Jüdin, deren Worte uns alle mächtig berührten und den Schrecken von Machtergreifung, Versagen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und systematischer Vernichtung auf eindrückliche Art real werden ließen. Nie wieder ist verdammt noch mal jetzt und immer!

Annika beendete die Führung auf der anderen Straßenseite der Synagoge in der Roonstraße—das war ihr wichtig und ich verstehe, warum. Das Gotteshaus ist ein eindrucksvoller Bau und lebendiger Beweis dafür, dass jüdisches Leben in Köln stattfindet. Der gegenüber parkende Polizeiwagen und die seit dem 7. Oktober massiv gestiegene Zahl antisemitischer Gewalttaten gleichzeitig eine brutale Erinnerung, dass dieses Leben nicht selbstverständlich und einer immerwährenden Bedrohung ausgesetzt ist. Das kann und muss ich anerkennen, völlig unabhängig von den aktuellen, menschenverachtenden Handlungen von Israels Ultrarechts-Regierung.

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