Ich möchte voranstellen, dass ich Meinungen für richtig und wichtig halte. Sie sind die Grundlage für jede Diskussion und Startpunkt jedes Konsenses. Dank des Internets kann fast jeder Mensch auf dem Erdball nicht nur Meinung haben, sondern auch teilen und verbreiten. (Hey! So wie ich hier gerade.) Das ist meinem Blutdruck oft nicht zuträglich—vor allem wenn sich die Beiträge nicht mit meiner Meinung decken—aber ich vertraue bei der Klärung auf bewährte Mittel: Wissenschaft, Grundgesetz und Menschenrechtscharta, die Selbsterkenntnis falschzuliegen, die andere Person als Arschloch abzutun.
Hier soll es nicht um Meinungsverschiedenheiten gehen, wie zum Beispiel der kleine Disput zwischen Alexander Thiel und mir. Vielmehr geht es hier um das von mir zu oft beobachtete Phänomen, dass Meinungen schnell ihr subjektives Kleid ablegen und Allgemeingültigkeit einfordern. Wenn das in einem Text von jemandem passiert, den ich schätze, schmerzt das noch einmal mehr. Dennoch will ich mich heute etwas an Frank Riegers Die ganz einfache Erklärung abarbeiten.
Es gibt aber eine Erklärung…
Nach nur zwei Paragraphen seiner Kolumne wird aus Meinung also schon Fakt. Es ist nicht „seine“ Erklärung und „seine“ Vorstellung von einfach. Es gibt da draußen eine Erklärung, sie ist einfach, er hat sie gefunden und teilt sie jetzt mit seinem Publikum. Punkt! Frank Rieger bekommt von mir den Vertrauensvorschuss, dass er das tatsächlich als Denkangebot versteht—anderen würde ich Indoktrination unterstellen! Diese Scheißmär vom „post-faktischen Zeitalter“ hat den schleichenden Prozess von Meinung zu Tatsache zu einem Automatismus gemacht, aber ich als Leser bevorzuge eine klare Kennzeichnung als Meinung. Wer mich mit einem Denkanstoß erreichen will, kann das nicht so plump als universelle Wahrheit tarnen. Da sträubt sich in mir alles.
Herr Riegers Kompagnon Fefe alias Felix von Leitner bekommt das deutlich besser hin.
Wie herrlich ich mich darüber aufregen kann und direkt anfange, in meinem Kopf eine Debatte vom Zaun zu brechen. Was ich Herrn von Leitner aber wahrlich nicht unterstellen kann, ist das Fehlen von „ich“-Botschaften. Ich stelle fest, ich komme mit Meinungen—selbst mit anderen als meiner—deutlich besser klar, wenn sie als solche zu erkennen sind und mich nicht, trotz mangelnder faktischer Grundlage, versuchen zu verarschen.
…und sie ist einfach.
Diese Worte komplettieren das oben begonnene Zitat und lassen in mir alle Alarmglocken läuten: Nichts, aber auch rein gar nichts in unserer Welt ist einfach und wenn etwas einfach erscheint, dann nur weil andere Aspekte stark leiden.
Öh… meinst du echt??? Ich glaube auch! Zwei Sätze nach dieser profunden Analyse eine einfache Erklärung Marke Eigenbau zu postulieren erscheint mir dann aberwitzig. Diese Erklärung fasse ich hier kurz zusammen: Ein gewisser Prozentsatz in jeder Gesellschaft hat keinen Bock auf Veränderung (Neophobe), fühlt sich von den Gewinnern des vermeintlichen Fortschritts (Neophile) benachteiligt und gegängelt und manifestiert diesen Unmut als—Dank jetzt vorhandener politischer Vertretungen (genannt werden AfD und BSW) möglichen—Ruck in den Extremismus.
Das ist weder neu, noch geistreich. Ich denke wenige Menschen werden widersprechen, dass Taktung und Komplexität unserer Welt zuweilen überfordern, sogar erdrücken. Ich widerspreche jedenfalls nicht. Nebenbei wird noch vergessen zu erwähnen, dass mindestens mal eine dieser „politischen Vertretungen“ zum Ziel hat, die Demokratie zu zerstören. Und das ist das Problem mit einfachen Erklärungen: Sie sind meistens zu einfach. Ein schönes Beispiel: