Museum der Museen im Wallraf-Richartz-Museum
Eine Ausstellung über das Ausstellen. Klingt so spannend wie eine Handvoll Sand, entpuppte sich für mich am heutigen KölnTag aber als spaßige Zeitreise—eingeleitet durch die Foto-Reihe Menschen im Museum von Barbara Klemm (* 1939). Ein Spiegel daneben macht klar: Hier geht es um die Rezipienten. Keine Kunst ohne Betrachter*in.
Die Reise beginnt in einer sogenannten Wunderkammer—mehr ein Spleen der Reichen und Schönen im 16.–18. Jahrhundert, als ein Museum; zumal meist nicht öffentlich zugänglich. Erst die Aufklärung öffnet Museen einem breiteren Publikum und unterstützt dieses in seinem Bedürfnis nach Teilhabe. Davor darf ich noch einen Blick auf die überfordernde Hängung des Barock werfen—für mich aber nur noch ein historisches Kuriosum und als ernsthafte Option nicht mehr relevant. Caspar David Friedrich hat es auf den Punkt gebracht:
Mit dieser Meinung war er ungefähr 150 Jahre zu früh dran, denn erst im 20. Jahrhundert wird die Hängung im Museum progressiver, luftiger auf heller Wand, mit mehr Autonomie für jedes einzelne Werk, auf Augenhöhe der Besucher*innen. Erst jetzt kann man wirklich vom Museumsspaziergang sprechen, ganz ohne Nackenkrampf. Dass Kunst und das Urteilen darüber nun auch der breiten Masse offensteht, behagt nicht jedem. Künstler wie Albert Robida (1848–1926) und Honoré Daumier (1808–1879) widmen einen großen Teil ihrer Aufmerksamkeit den nur oberflächlich Interessierten mit fragwürdiger Urteilskompetenz. Dieser Spott ist zeitlos und bemerkenswert: auf einmal finden sich die passiven Betrachter—und vor allem die Blender und Emporkömmlinge—mitten im Betrachteten. Ein großartiger Spaß!
Damit nimmt der Spötter vorweg, was das weitere 20. Jahrhundert bestätigt: Das Museum ist ein Ort der Spießbürgerlichkeit! Geschmacksorientierte Hängungen der Museumsdirektoren, eindimensionale Präsentation und wenig produktiver Austausch lassen den einstigen Hort der Künste und Wissenschaften altbacken und wirklichkeitsfern wirken. Neue Ausstellungskonzepte müssen her.
Das Wallraf-Richartz-Museum präsentiert zwei: das Musée sentimental von Daniel Spoerri (* 1930) und Marie-Louise von Plessen (* 1950) und Rolywholyover. A Circus von John Cage (1912–1992).
Marie-Louise von Plessen lässt ihr Konzept im Wallraf-Richartz-Museum noch einmal aufleben, nachdem es 1977 im Centre Pompidou Premiere feierte und mittlerweile etabliert ist: Kunstwerke und historisch Bedeutsames wird dabei mit Objekten des Alltags vermischt. Das Schwere trifft auf das Leichte, das Aufmerksamkeit bannende auf das Triviale. Das lockert auf, führt zu dem ein oder anderen Lächeln, berührt das Publikum. So jedenfalls die These… bei mir hat das allerdings nicht gut funktioniert. Ich werde dem Konzept in Zukunft aber gern noch eine Chance geben, denn Alltagsgegenstände, die die Geschichte von dir und mir und eben nicht vom großen Ganzen erzählen, haben zweifelsohne ein enormes Potenziel zu berühren. Orhan Pamuk hat Recht, wenn er sagt:
Der Zufallszirkus von John Cage hat es mir aber noch einmal mehr angetan. Das Konzept empfinde ich als simple, but not easy: Benachbarte Museen werden gebeten, zufällige Exponate ihrer eigenen Sammlung zur Verfügung zu stellen. Die Anordnung im Raum geschieht ebenfalls zufällig, was auch die Verbannung auf Zeit in das einsehbare Depot im Ausstellungsraum einschließt. Denn: Anordnung und Auswahl der Exponate sollen während der Ausstellung regelmäßig verändert werden. Chaos, Anarchie und Unvorhersehbarkeit sind hier vorprogrammiert und erwünscht, Wandbeschriftungen gibt es nicht. Das ist irgendwie geil und macht jeden Museumsbesuch zu einer zutiefst individuellen Erfahrung; genau wie in der Wunderkammer, mit der alles anfing.
Ich bin gespannt, wohin die Reise der Ausstellungsinszenierung und Museumspädagogik noch führt—Interaktion, AR/VR/XR, Performance-Kunst; vieles ist vorstellbar. Die Kurator*innen des Wallraf-Richartz-Museums haben hier einen eindrucksvollen Querschnitt durch 500 Jahre „wir schauen uns die kreativen Ergüsse Anderer an“ geschaffen und liefern auch das Schlusswort für diese Notiz:
2024-12-04: Zwischen Nackenstarre und Kunstgenuss
Völlig zu Recht hat Honoré Daumier seit dem 29. November seine eigene Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum. Passenderweise ist morgen wieder KölnTag 😏 Die Ausstellung geht noch bis 23.03.2025.