Sorglos in Zeeland
Wir waren eben doch noch mit zwei Freundinnen im Theater Duisburg zu Die Wut, die bleibt. Ich danach in Berlin zum Geburtstag meines Papas. Und jetzt stehen wir zu zweit an einem Nordseestrand, feiner Sand unter unseren Füßen. Frische 13°C, aber Sonnenschein im Gesicht und eine salzige Brise in der Nase. Zauberhafte Zeiten, in denen wir leben.
Die Urlaubsentspannung setzt schon einige Tage zuvor ein, eine knappe Autostunde von Köln entfernt; denn mit der niederländischen Grenze beginnt auch das Tempolimit auf der Autobahn. Ich bin sehr dafür, das auch in Deutschland einzuführen. Für Umwelt und Nervenkostüm aller Fahrenden. Aus den Niederlanden wird schnell wieder Belgien und es geht vorbei an Antwerpen, deren Umland so gar nicht auf ihre angepriesene Altstadt schließen lässt. Die erkunden wir ein anderes Mal. Wir wollen weiter ans Meer!
Einen kleinen Vorgeschmack gibt uns—wieder in den Niederlanden—die Zeelandbrug, auf die man über eine kleine Anhöhe zurollt, als säße man im ersten Wagen einer Achterbahn. Der Adrenalinschock nach Erreichen des höchsten Punktes bleibt aus, stattdessen öffnet sich durch leichten Nebel der Blick auf die Wassermassen, die die Niederlande mit ihren Deltawerken bisher erfolgreich gezähmt haben. Ein bisschen gruselig, aber vor allem wunderschön.
Und dann sind wir nach 3,5 h Fahrt am Ziel angekommen, dem Roompot Beach Resort Brouwersdam. Die Frage wo wir jetzt genau sind, ist gar nicht so leicht zu beantworten: Das Resort befindet sich in dem kleinen Dorf Scharendijke, das auf der Insel und gleichnamigen Gemeinde Schouwen-Duiveland liegt, welche wiederum Teil der Provinz Zeeland ist. Der namensgebende Brouwersdam ist hingegen kein geographischer Begriff, sondern das nahegelegene siebte und sehr eindrucksvolle Bauwerk der Deltawerke.
Wir haben uns eine Unterkunft der Kategorie Wellness Lodge 2 gegönnt, die komplett mit Infrarot-Sauna, Hot Tub und einer gut ausgestatteten Küche daherkommt. Praktisch: Die Ausstattung wird auf der Webseite detailliert gelistet.
Hier lässt es sich vorzüglich aushalten und nachdem wir alle Gerätschaften einmal ausprobiert haben, schlendern wir durch das 1300-Seelen-Dorf Scharendijke zum Deich und dem Wasser dahinter. Es herrscht eine ziemliche Waschküche und die Brise ist jetzt eher ein fieser, schnittiger Wind. Längere Ausflüge behalten wir uns für besseres Wetter vor. Jetzt erst einmal wieder Sauna, Hot Tub, lesen, Hörbuch hören, kochen. Gezellig!
An Tag 2 erweitern wir unseren Radius um den Strand von Ellemeet und so langsam dämmert es uns, dass wir hier wirklich in einem Urlaubsparadies der Deutschen gelandet sind. Uns beschleicht eine kleine Portion Scham im Wissen auch Teil dieser Touri-Meute zu sein. Wir beschließen, nicht jede*n Einheimische*n mit frecher Selbstverständlichkeit auf Deutsch anzulabern, sondern uns mit Hoi, bedankt/dank je und fijne dag der niederländischen Sprache zu stellen. Katharinas Vorwissen durch ihr Studium in Maastricht kommt uns sehr zugute.
An den endlosen Stränden und in den sandverwehten Dünen lässt es sich bei niedriger, zweistelliger Gradzahl und abseits der anderen Touristen hervorragend entspannen und als die Sonne auch noch rauskommt, stellt sich endgültig das jede Körperspannung zersetzende Urlaubsgefühl ein. Ich merke beim Schreiben, dass sich die für meine 37 Jahre vielleicht etwas zu behäbige, ja altmodische Sprache zeigt. Aber was soll ich machen? Mit Sand unter meinen Füßen, Salz in der Luft und unendlichem Blau vor meinen Augen, komme ich eben ins Schwadronieren. Verklag mich doch 😛

Tag 3 startet wie jeder Tag mit einem gemeinsamen Morgenkaffee und einem vorgelesenen Kapitel aus unserem ständigen Begleiter: der Gebrauchsanweisung für unseren jeweiligen Urlaubsort. Heute also die Gebrauchsanweisung für die Niederlande von Kerstin Schweighöfer. Das Kapitel über Den Haag begeistert uns und spätestens damit ist entschieden, dass wir Tag 5 dieser Stadt widmen. Sie scheint unglaublich viel zu bieten zu haben: die einzige Stadt an der Nordsee mit eigenem Strand, Königs- und Regierungssitz, internationale Gerichtshöfe, Museen mit Vermeer, Escher und der größten Mondrian-Sammlung der Welt. Heute geht es aber erst einmal in das nahe Dorf Domburg und die Zeeland-Hauptstadt Middelburg. Bei strahlendem Sonnenschein flanieren, shoppen, futtern wir.
Um im Wechsel zwischen Ausflugs- und Chill-Tag zu bleiben, lassen wir es an Tag 4 wieder ruhiger angehen. Nach einem Pancake-Frühstück leihen wir uns Fahrräder aus, um etwas die Küste im Nordwesten zu erkunden. Am Strand hinter dem Brouwersdam kehren wir im Strandpavillion Brouw für Käseplatte und Kaltgetränke ein. Am Nachmittag schauen wir kurz in unserem lokalen Supermarkt Plus vorbei und decken uns mit Brotaufstrich, Käse und Getränken ein.
Unserem Trip nach Den Haag werde ich eine eigene, kleine Notiz widmen. Tag 6 war dann nur noch Packen und Abreise; mittlerweile sind wir wieder zu Hause in Köln und ich überlege, was von diesem Urlaub bleibt.

Es folgt eine lose Gedankensammlung:
- Die Gebrauchsanweisungen aus dem Piper-Verlag sind die perfekte Begleitlektüre für uns, weil sie tiefere und länger gültige Einblicke als ein herkömmlicher Reiseführer bieten.
- Die niederländische Sprache ist für deutsche Ohren nicht selten ungewollt komisch; wir waren vorbereitet und haben uns zusammengerissen. Nicht alles ist immer lekker und das Schmunzeln über den Straßennamen Lange Voorhout nutzt sich zum Glück auch mit der Zeit ab.
- Mit ein paar Brocken der Landessprache zeige ich Interesse und sorge für aufgehellte Gesichter.
- Für uns war es der richtige Urlaub zur richtigen Zeit!
- Die Zettelwirtschaft in dem Photo oben habe ich auf der Holzbank unserer Sauna ausgebreitet. Sauna und Hot Tub waren toll und wurden von uns ausgiebig genutzt.
- Rad fahren in Holland ist einfach next level, Teil 1: Noch nie habe ich mich als Radfahrer so sicher und respektiert gefühlt. Der Radweg auf dem Brouwersdam sieht aus wie der verdammte Nürburgring!
- Meine neuen niederländischen Lieblingsworte sind fietsen (Rad fahren) und bromfiets (Moped). Für diese zwei Fahrzeugarten gibt es teilweise eigene Straßen! (Rad fahren in Holland ist einfach next level, Teil 2.)
- Wenn der Platz reicht: Tischgrill mitnehmen!
- Niederländische Supermärkte beantworten die Frage „Wie viele Frühstücks-Schokostreusel-, Käse- und 0,0er-Biersorten habt ihr denn???“ mit „Ja.“
- Paracetamol-Tabletten sind pink.
- Parken ist teuer, Knöllchen wohl noch teurer. Letzteres haben wir zum Glück nicht erleben müssen.
- Vieles hier ist eingefleischten Nordrhein-Westfal*innen sicher schon bekannt. Ich aber muss gestehen, dass ich unsere Nachbarn bis auf je einen Besuch in Amsterdam und Maastricht noch nicht gut kannte. In diesem Sinne: Auf diesen Startschuss, das zu ändern.