Stadtgewordenes Potenzial

Hallo Leipzig, du stadtgewordenes Potenzial, Partizipation und Subkultur. Grün bist du! Frischluft begeisterte Studierende treffen an Tischtennisplatten und in Parks auf sportliche Senior*innen. Gründer*innen erwecken alte Gebäude mit neuen Ideen zum Leben. Leipzig, du spornst an—sich zu engagieren und organisieren. Mit Bravour beweist du, wie Neu und Alt Hand in Hand gehen. Plattenbauten stehen neben Jugendstilhäusern; progressive Orte laden zu Begegnungen ein und entschleunigen den Alltag. Du heißt Neuankömmlinge willkommen oder lässt in Ruhe, wer für sich sein will. Hallo, du entspanntes Leipzig!
—Intro aus Hallo Leipzig von Ankerwechsel
Über den Paragraph stolperte ich beim Durchblättern von Hallo Leipzig—sicherlich höchst vergängliches Stadtmagazin, aber erhaben durch sein arschcooles Graphic Design—in einem der vielen Leipziger Buchläden. Leipzig, die Buchstadt. Und eben all das was oben steht. Was den Vibe meiner Heimatstadt angenehm umreißt.
Der Aspekt Heimat kommt bei mir aber natürlich noch dazu: Von den Jahren 1988 bis 2007 verbrachte ich 17 in Leipzig. Wohlbehütet in Reudnitz und Eutritzsch, wilder Osten und unfertiger Norden der Stadt. Dann und wann auch zwischen Grünauer Plattenbauromantik und linkem Lebensgefühl in Connewitz und Südvorstadt. Wir sahen als Kinder der 90er dabei zu, wie aus dem grauen DDR-Leipzig die Boomtown L.E. wurde, wir stellten uns Nazis vorm Völki/Völle entgegen bei Leipzig zeigt Courage! und verbrachten dank Neuseenland und innerstädtischem Flusssystem viel Zeit am Wasser, obwohl das Meer doch so weit weg war. Leipzig, das ist Kindheit, Jugend, Austesten, Heranwachsen, Wohlfühlzone, ganz viel Liebe, die geliebte Stadt, in der ich die Liebe meines Lebens geheiratet habe und die mir meine Eltern bis heute als Heimat und Anker lebendig halten. Ich bin so gern da. Ich bin vielleicht zu selten da. Aber heute bin ich noch da. Genau wie die letzten sechs Tage.
Meine Eltern haben uns lieberweise ihre Bude im Leipziger Westen zur Verfügung gestellt, damit wir für eine Woche Köln entfliehen und uns dem Leipziger Weihnachtstreiben hingeben können. Direkt vor unserer Tür gibt es damit schon einen Haufen zu entdecken, denn die Stadtteile Plagwitz und Lindenau verkörpern viel von dem, wofür Leipzig mittlerweile auch überregional bekannt ist: Macherattitüde, lebendige Kunstszene in alten Industrielofts, versteckte Cafés, Kneipen, Spätis und immer wieder überraschende Begegnungen mit Menschen und ihren Initiativen.

Leipzig ist der Hammer und ich habe einen bösen Heimat-Bias, ich denke das habe ich bis hierhin etabliert. Was haben wir also in der knappen Woche hier so getrieben?
- Frühstück im süß+salzig war famos. Leider gibt es den Laden nicht mehr.
- Geht immer: Das Feinkostgelände mit seinen schönen Lädchen, der Löffelfamilie und dem alljährlichen Weihnachtsmarkt. Kann man sehr schön von der Innenstadt aus hinspazieren. Wir haben uns bei Mrs. Hippie und Whisper Records richtig gegönnt.
- Die Moritzbastei ist als Club und Konzert-Location immer einen Blick wert. Wir hatten uns diesemal etwas verguckt und landeten beim Dark Xmax … dem Weihnachtsmarkt der Gothic-Szene.
- Finnischer Weihnachtsmarkt auf dem Augustusplatz.
- Weil wir ja jetzt erwachsen sind (hab ich gehört), können wir ja auch mal auf Kaffee und Kuchen ins Kaffeehaus Riquet.
- Spaziergang hier, Treibenlassen da. Leipzig ist unglaublich dicht besiedelt mit Gastronomie und Event-Locations. Der Innenstadtring aber auch Stadtteile wie Plagwitz und Connewitz laden zum Stromern ein. Lieb ich!
- Ab ins Kino! Leipzig hat mit der Schauburg (siehe meinen Wes-Anderson-Gedächtnis-Shot oben), den Passage-Kinos und der Schaubühne Lindenfels ein paar wunderschöne Programmkinos.
- Ein persönliches Highlight: Weihnachtsduft und Lichterglanz im Gohliser Schlösschen; mit Glühwein, heißem Zimtapfel und Waffeln noch einmal den Ort begehen, an dem wir uns 2019 haben trauen lassen.
- Abendessen und Live-Musik im Tonelli’s—gibt es dort jeden Abend, unbedingt reservieren. War das mein alter Physik- und Klassenlehrer am Tresen?

Heute heißt es erst einmal „Tschüssi, Leipzig“—du warst wieder seht gut zu uns. Bis hoffentlich ganz bald!