Unter der Welle vor der Küste von Kaganawa
Du weißt wahrscheinlich, von welcher Welle ich spreche. Sie sieht ungefähr so aus 🌊. Sollte dir das nicht reichen, führt zum Beispiel das Metropolitan Museum of Art eine sehr schöne hochaufgelöste Public-Domain-Abbildung in ihrem Bestand. Eine omnipräsente Schönheit von Katsushika Hokusai (ausgesprochen: Hock-sei). Mir fiel sie zum Beispiel gestern mal wieder auf der Rückseite des Submodule GB01 auf, als ich gerade vor dem Verleihen eines Game-Boy-Advance-Spiels eine Sicherungskopie meines Spielstandes anlegte.

Und vor einigen Wochen schrieb Uberblogr-Nachbar Nico Brünjes auf seinem Couchblog über die große Welle als unangenehmer Gesprächsstarter. In mir regte sich reflexartig Widerstand gegen die dort zitierte Frau und ihr Bedauern, dass solche Kunst zu Drucken auf T-Shirts verkommt
. Zuallererst, weil ich mich weigere hinzunehmen, dass Kunst verkommt—was für ein beschissenes Wort—wenn sie benutzt/zitiert/remixt wird. Aber auch weil ich da einen Kunst-Snobismus vermute, der meiner Erfahrung nach einem Austausch von ca. zwei Sätzen standhält, bevor er dann unter gefährlichem Halbwissen und biedermeierlichem Bullshit kollabiert.
Da ich aber auch nur über halbgares Wissen zu diesem ikonischen Druck verfüge, darf ich mich nicht beschweren. Zum Glück ist Sonntag aber Doku-Tag und heute damit eine hervorragende Gelegenheit, diese Wissenslücke zu stopfen. Zum Beispiel bietet ARTE den straffen Viertelstünder „Die große Welle“ von Hokusai, vom Holzschnitt zur globalen Ikone an, der Historie und kulturelle Langzeitwirkung dieses Motivs schön nachzeichnet. Zwei Aspekte nehme ich mit, die mich vermuten lassen, dass Hokusai die Vorstellung seiner Welle als T-Shirt-Motiv feiern würde:
- Es ist ein Druck! Es gibt nicht die eine Welle, es gibt Dutzende und gab wahrscheinlich einmal Hunderte. Reproduktion ist integraler Bestandteil der Farbholzschnitttechnik Ukiyo-e. Als jemand, der versucht seiner Kreativität mitteles eines Pen Plotters Ausdruck zu verleihen, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass Künstler sich am Transfer auf ein neues Medium stören.
- Die Welle wurde als perfekte Botschafterin japanischer Kultur identifiziert und gezielt von der japanischen Regierung als Teil ihrer exportierten Bildsprache genutzt. Meiner Meinung nach muss man bei solch einem freiwilligen Angebot eines kulturellen und ästhetischen Wertes nicht in Richtung kulturelle Aneignung diskutieren. Und in Richtung verkommende Kunst schon gar nicht.
Für Menschen, die Kunst nicht ziehen lassen können, oder noch schlimmer, die sich ungefragt zur Rettung ihrer vor Verderbung aufschwingen, habe ich vor allem endlose Skepsis übrig.