Keine Schweine

„Wir sind solche Schweine!“ Oft haben meine Frau und ich uns diesen Spruch hin und her geworfen. Es ist einer von unseren unzähligen Insider-Sprüchen und bezeichnet in Anlehnung an Glücksschweine das immense Glück, das wir schon oft gemeinsam verspürt haben: in unserer Beziehung, mit unseren Freunden, mit unserer Familie, auf Reisen und im alltäglichen Leben. Vieles schien uns zuzufallen. Viele Türen öffneten sich unserem Charme.

Wir haben das schon eine ganze Weile nicht mehr zueinander gesagt. Hier ist die Unzufriedenheit im Job. Da dieses große Herzensprojekt, das, obwohl man alle Energie reinsteckt, einfach nicht so werden will, wie man will. Da ist der Anruf der Eltern, der einem klar macht, dass man das viel zu junge Todesopfer einer Verkehrskollision in Leipzig kennt. Zwischendurch nervt das totgeglaubte Covid noch einmal. Zuzufallen scheint uns nichts mehr und mit Charme ist wenig auszurichten gegen Tod, Krankheit, Trauer und Tristesse.

Im Gespräch mit meiner Frau merke ich, dass der Optimist in mir nicht totzukriegen ist und dass mein Affekt-Modus-Operandi immer noch aus Durchhalteparolen und der Besinnung auf das Gute besteht. Und ich will kurz festhalten: Da ist auch was dran! Vieles von dem oben Geschriebenen ist immer noch gültig. Beziehung, Freunde, Familie, Reisen, persönliche Glücksmomente, Erfüllung im Beruf und in Hobbies—all das existiert und zähle ich zu meinem riesigen Privileg. Im Gespräch mit meinen Eltern merke ich dennoch, dass ich genau diesen Modus überhaupt nicht gut haben kann. Meiner Frau und allen anderen um mich herum zu Liebe gilt es also eine neue Umgangsform zu finden. Einen respektvollen Umgang mit Leid das zum Leben dazu gehört.

Ohne platte Durchhalteparolen. Ohne toxischen Positivismus. Aber nicht als willkommene Gateway-Droge, die in Taubheit und Depression führt.

Ich sitze im Zug von meinem Zuhause Köln in meine Heimat Leipzig; auf dem Weg zu einer Beerdigung. Und ich versuche es mit dem neuen Umgang mit dem Leid mal so: Wir werden wieder Schweine sein. Und dann wieder nicht. Und dann wieder doch. Und dann