Mit der Game Boy Camera im Gremberger Wäldchen

Nachdem ich gestern zum ersten Mal vom Gremberger Wäldchen und dem wichtigen Aktivismus unter dem Motto Grembi bleibt! gehört habe, musste ich mir heute direkt selber ein Bild machen… Wortwörtlich! Denn schon lange will ich mal meine Game Boy Camera auf meine Field Trips bzw. Microadventures mitnehmen. Die Vorstellung bei Photographie mit 128×112 Pixeln und vier Farben auszukommen reizt mich sehr! Da das Wetter auch noch phänomenal war, hab ich also meinen Analogue Pocket und mein blaues Game-Boy-Camera-Modul eingepackt und bin los.

Quer durch Brück, dann immer der Olpener Straße nach durch Merheim; bisher deckt sich mein Microadventure mit einem beliebigen Ausflug nach Kalk. Ab dem Nohlenweg wird es dann neu: durch das kleine Parkgelände um die Frankfurter Straße herum schlage ich mich am Fort X vorbei Richtung Kreuzung von Vingster Ring und Ostheimer Straße. Das Fort ist nicht weiter sehenswert—geschweige denn begehbar—aber lässt mich kurz in die Wikipedia-Tiefen zu den Kölner Festungsringen während der preußischen Verwaltung abtauchen.

Der Weg am Vingster Ring entlang ist der unentspannteste Teil der Wanderung. Trotz Lärmschutzwänden und obwohl ich mir immer ganz gut Autogetöse als Meeresrauschen vorstellen kann ist es diesmal schwer zu glauben, dass auf der anderen Straßenseite irgendwo der Vingster See sein soll. Aber wurscht, denn mein Ziel liegt jetzt nur noch wenige Meter vor mir. Und auf einmal bin ich mittendrin im Gremberger Wäldchen—übrigens der letzte natürliche Waldbestand in Köln. Auch hier ist der Lärm der Autos von Autobahn und Zubringerstraßen allgegenwärtig, aber diesmal kann ich es ausblenden und mich auf den vor mir liegenden Waldweg einlassen. Ich bin völlig allein.

Schön ist es hier! Naturbelassen, ein bisschen wild. Das soll wohl so, Informationstafeln klären auf über Naturwald, lokale Flora und Fauna und Graffiti-Projekte zum Verschönern der im Überfluss vorhandenen Unterführungen mit Beton-Charme. Mein nächstes Ziel: Die Gedenkstätte für Opfer des NS-Regimes im südlichen Teil des durch die Östliche Zubringerstraße zerschnittenen Wäldchens.

Das Mahnmal ist ein kleines an einen Friedhof erinnerndes und durch einen kleinen Zaun separiertes Areal, das an 74 osteuropäische und von den Nazis ermordete Zwangsarbeiter*innen erinnert. Makabres und nicht zu ignorierendes Detail: Das Massengrab befindet sich eigentlich einige Meter entfernt und soll im Rahmen des Ausbaus der A4 zubetoniert werden. Neben dem Umweltaspekt ein für mich bedeutsamer Grund um die Autobahn-Erweiterung im Süden Kölns doch noch zu verhindern. Hier geht es zur entsprechenden Bürgerinitiative.

Die Gedenkstätte ist ein ruhiger Ort an dem man gut über die Inschrift aus Bertolt Brechts Kriegsfibel und ihre Aktualität 80 Jahre später nachgrübeln kann.

Und alles Mitleid, Frau, nenn ich gelogen, / das sich nicht wandelt in den roten Zorn, / der nicht mehr ruht, bis endlich ausgezogen, / dem Fleisch der Menschheit dieser alte Dorn.

Ein großartiger Antifaschist!

Nachdem ich mich etwas gefangen hatte, ging ich weiter Richtung Forsthaus, das heute ein privates Wohnhaus ist. Eigentlich wollte ich gern noch die alte Rotbuche sehen, die mit ca. 300 Jahren der älteste Baum Kölns ist. Aber sowohl das Internet als auch die Infotafeln vor Ort schweigen sich über den genauen Standort aus. (Später sollte ich lernen, dass das Absicht und zum Schutz des Baumes ist.) Als ich fast schon aus dem Wäldchen raus war, entschloss ich mich doch noch eine Frau nach dem Weg zu dieser Rotbuche zu fragen. Diese Frau stellte sich als die Dame des (Forst)Hauses heraus und spazierte sogar mit mir gemeinsam hin. Super Sache und ein sehr schöner Menschel-Moment! Auf dem Weg sprachen wir über zwei der größten Mysterien des Universums: das Leben und Kölner Bauentscheidungen. Geil! Den Weg Richtung Heimat wies sie mir auch noch und so fühlte sich dieser ganze Ausflug schon ganz schön wunderbar an.

Für den Rückweg entschied ich mich Vingst und Ostheim einen ausgedehnteren Besuch abzustatten: Kurthstraße, Kaltgetränk vom Kiosk, Josef-Boschbach-Weg, Hövilandweg, vorbei am Waldbad-Viertel, bis zur Haltestelle Ostheim. Da ich auch noch mein Buch zu Ende lesen wollte, sprang ich für eine kurze Lese-Session in die 9 bis Königsforst und lief von dort zurück nach Brück.

Und was ist jetzt mit dieser Game Boy Camera? Die war immer dabei und liefert die Photo-Untermalung für diesen Ausflug.

Von links nach rechts, oben nach unten: Graffiti, um klarzumachen wo man ist; Detailaufnahme eines gesprayten Schmetterlings von derselben Wand; Steintafel der Gedenkstätte; Gedenkstein mit russischer Inschrift (unbekannte Herkunft—sehr mysteriös); das alte Forsthaus, das sich wie ein Hexenhaus aus dem Dickicht windet; die ca. 300 Jahre alte Rotbuche.

Insgesamt war ich 4:06 h unterwegs und bin 17,54 km gelaufen.