Mit dem Nahverkehr von Leipzig nach Köln
Nachdem ich vor zwei Tagen im Fernverkehr (!) statt der geplanten fünfeinhalb Stunden siebeneinhalb von Köln nach Leipzig brauchte, versuche ich es für den Rückweg heute einfach mit dem Nahverkehr. Deutschland-Ticket-Style! Dauert auch nur achteinhalb Stunden, drei Umstiege in Erfurt, Kassel-Wilhelmshöhe und Hamm. Überschaubar. Und meine Arbeit kann ich auch aus dem Zug heraus erledigen.
Ich bin gespannt und berichte hier etwas über die Reise.
Leipzig → Erfurt
Mit dem RB 20 Richtung Eisenach geht es um 12:09 von Leipzig nach Erfurt. Geplante Reisedauer: 1h 44min. Der Zug ist gut besucht, aber ich finde mit Leichtigkeit einen gemütlichen Platz. Es gibt Steckdosen. Mein Sitznachbar gegenüber macht sich erst einmal eine Brotzeit, dazu ein Mönchshof Hell aus der Dose.
12:23. Fahrkartenkontrolle und damit Feuertaufe für mein Deutschland-Ticket außerhalb seines Ursprungsverbundes. Fühlt sich gut an. Wir fahren gerade durch Leipzig-Miltitz. Draußen ballern 26°C, drinnen ist es angenehm klimatisiert.
Wifi gibt es keins, aber mein Handy agiert als zuverlässiger Personal Hotspot. Bisher durchgängig 5G-Netz auf der Strecke. Nice!
12:58. Wir halten absolut pünktlich in Naumburg (Saale). Auf der Hinfahrt saß ich zu einer vergleichbaren Zeit schon in einem Zug, den ich nicht geplannt hatte zu nehmen. Ich erinnere mich an einen Naumburg-Ausflug mit meinen Eltern und meinem Bruder. Der gut sichtbare und imposante Dom ist UNESCO-Weltkulturberbe seit 2018. Mein Sitznachbar ist eingeschlafen und ich sorge mich um sein Genick. Bequem sieht das nicht aus.
13:40. Kurz hinter Weimar mache ich den Toiletten-Test. Geruch ist gewöhnungsbedürftig, aber Toilettenpapier, Hygienebeutel und Seife sind an ihrem Platz und Rückstände der Aktivitäten Mitreisender beschränken sich auf die üblichen Stellen. Das ist alles in allem völlig hinnehmbar und ein Level über meiner ICE-Erfahrung. Steile These: Sind Reisende aus Kötzschau, Großlehna und Apolda disziplinierter als jene aus Frankfurt, München und Berlin?! 😉
Wir kommen quasi pünktlich in Erfurt an und ich habe mit 40 Minuten genug Zeit um noch den Eisdielen-Tipp meiner Mama auszuchecken: die Eisdiele von Goldhelm direkt auf der Krämerbrücke. Ich nehme Käptn’s Karamell, Krämer Brückentrüffel und Herr Nougat & Frau Sauerkirsch. Die Sonne scheint, viele wohlgelaunte Menschen sind auf den Straßen, alles was ich von Erfurt sehe ist scheiße schön. So kann es weitergehen.
Erfurt → Kassel-Wilhelmshöhe
14:33 geht es pünktlich weiter im RE 2. Leider erwartet mich am Ende der Treppe hoch auf das Gleis ein schon berstend voller Zug. Gesprächsfetzen meiner Mitreisenden kann ich entnehmen, dass der Zug immer so voll ist. Warum die Regio da keinen zweiten Wagen nachkoppeln kann erschließt sich mir nicht.
Ohne Sitzplatz, bei 27°C und mit merklich gestressten Mitreisenden macht der Teil natürlich keinen großen Spaß. Schade, dass dieser Abschnitt mit 2h 22 min der längste meiner Odyssee ist. Nur einen Halt später (Döllstädt) verlieren wir schon über 10 Minuten beim Warten auf einen verspäteten, entgegenkommenden Zug. Das würde Stand jetzt bedeuten, dass ich den Anschluss in Kassel nicht bekomme.
Nach etwa der Hälfte der Strecke kommt es dann zu einer unschönen Begegnung zwischen zwei Reisenden. Die Stimmung kocht hoch und beide machen sich bereit, sich auf’s Maul zu geben. Ich und ein zweiter gehen dazwischen. Mit viel Zureden und Im-Weg-Stehen können wir die beiden auseinander bringen. Zur Belohnung gibt mir ein Familienvater, der hoffentlich mit Frau und Kind und ungefähr 20 Koffern den Urlaub noch vor sich hat, eines seiner Biere ab und wir machen das Beste aus dem Reiseabschnitt.
Kurz vor 17:00: Gute Nachricht—der Anschluss in Kassel wartet auf uns. Während alle schon nervös aufspringen, schaue ich noch stehend meine Folge Umbrella Academy zu Ende. Kein Sitzplatz gehabt, aber Dank durchgängig stabiler mobiler Daten auf der Strecke geht wenigstens das.
Ein kurzer Sprint später sitzen ich und ziemlich viele, die ich schon aus Erfurt kenne, im Zug nach Hamm (Westfalen).
Kassel-Wilhelmshöhe → Hamm (Westfalen)
Ja, der RE 11 hat tatsächlich auf uns gewartet, aber damit ist leider auch klar, dass ich meinen Anschluss in Hamm nicht schaffen werde. Der Zug ist ähnlich voll wie auf der Strecke davor. Auch die Hitze hat nicht wirklich nachgelassen.
Ich komme dann aber doch recht zuügig zu einem Sitzplatz. Es gibt Steckdosen und Wifi und ich bin wieder guter Dinge. Die knapp zweistündige Fahrt verläuft ereignislos.
Hamm (Westfalen) → Köln Messe/Deutz
In Hamm verpasse ich wie erwartet meinen Anschluss und lasse sogar eine weitere Verbindung nach Köln 20 Minuten später ziehen. Ich brauche etwas frische Luft und etwas zu essen. Auch das ist Flexibilität, die mir das Deutschland-Ticket ermöglicht.
Ich nehme um 20:03 den RE 7 Richtung Krefeld nach Köln und ziehe ein positivies Zwischenfazit. Klar, von Erfurt nach Kassel war brutal, aber auch das gehört zu einem Abenteuer.
20:10. Scheiße! Zu früh gefreut! Kurz vor Unna meldet uns der Zugbegleiter einen Türschaden, der sich als hartnäckiger als gedacht herausstellen soll.
20:50. Die Fahrt kann nicht fortgeführt werden. In Bönen werden wir auf’s Gleis gekippt und warten auf den nächsten RE um 21:17. Dieser ist dann entgegen meiner albtraumhaften Vorahnung nicht so voll wie erwartet. Dafür wird er aber in Hagen außerplanmäßig um einen Zugteil gekürzt. Jetzt auch irgendwie Wurscht, meine Mitreisenden und ich quittieren das mit stoischer Mine.
22:41. Ankunft in Deutz. Etwas mehr als zwei Stunden später als ursprünglich geplant, das nehme ich durch meinen freiwilligen Aufenthalt in Hamm aber auch auf meine Kappe. Was bleibt ist ein bisschen Unverständnis für das Unvermögen der Bahn auf (scheinbar bekannte) Streckenauslastungen zu reagieren und etwas Hass auf die empfindlichen Türen der Regionalbahnen.