Mit J in der Photographischen Sammlung

Das Titelbild zu dieser Notiz verfolgt mich schon eine ganze Weile, ist diese Photographie einer Trinkhalle in Köln-Nippes von 1983 doch der offizielle Werbe-Aufmacher der großen Tata-Ronkholz-Retrospektive in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Köln. Und WOW spricht mich dieses Bild an! Daher stand für mich schon früh fest, dass ich am heutigen KölnTag zum ersten Mal in die Photographische Sammlung im Mediapark will. Zu meiner großen Freude entschied ich das nicht allein: J und ich haben beschlossen, Kaffetrinken und urbanes Abhängen mit dem Intelektuellen zu koppeln und uns im—dank 13. Deutschen Diversity Tag sehr umfangreichen—KölnTag-Angebot unabhängig voneinander für Tata entschieden.

Sehr gute Wahl, denn ihre komplett ohne Menschen auskommenden und dem Titelbild widersprechend zu 99% schwarz-weißen Architektur-, Industrie- und Alltagsbilder aus dem Rhein-Ruhr-Gebiet haben was! Obwohl ich keine Ahnung habe, wie diese Mechanismen der Kunstwelt funktionieren, bin ich sehr glücklich darüber, dass die beteiligten Museen und das ihren Nachlass verwaltende Kunstauktionshaus VAN HAM beschlossen haben: die 1997 mit erst 57 Jahren jung verstorbene Tata Ronkholz, die sich Mitte der 1980er Jahre aus der künstlerischen Photographie zurückgezogen hat, wurde bisher viel zu wenig beachtet und braucht jetzt eine große Ausstellung!

Nicht alles hat uns gleichermaßen begeistert; ihre Photos von Industrietoren und der gemeinsam mit Thomas Struth photographisch dokumentierte Rheinhafen in Düsseldorf boten eher wenig Reiz für Auge und Hirn. Wir waren uns beide einig, dass erst die Spuren von menschlichem Leben ein Architekturphoto spannend machen. Eine dunkle Tür, eine Hausnummer, ein unaufgeräumter Schreibtisch; irgendetwas, das in einem die Hoffnung weckt, dass das Photo doch ein Szenenbild aus einem Jim-Jarmusch- oder Wes-Anderson-Film ist und jeden Augenblick ein Mensch durchs Bild laufen muss.

Diese Hoffnung nähren dafür ihre mystischen Bilder aus der Toskana und aus Frankreich umso mehr! Da spielt sie auf eindrucksvolle Weise mit Mustern, Schatten und Geometrie, was den Bildern einen Hauch von Escher verleiht. Genau wie ihren kleinen und kuriosen Ausflug ins Möbeldesign hat das Museum diesen Teil ihrer Arbeit in einem separaten Raum untergebracht. Ein schöner, ruhiger Kontrastpunkt zur restlichen Ausstellung im großen, zum Schutz der Silbergelatineabzüge auf 19 °C heruntergekühlten Saal.

In der unteren Bildhälfte sieht man eine geschlossene Tür mit der Hausnummer 4. In der oberen eine ins Nichts führende Treppe. Niemand ist zu sehen.
Wer wohnt da bloß?

Dort schloss sich das unbestrittene Highlight an: ihre Serie von Kiosken, Trinkhallen und kleinen Geschäften. Diese Photos sind ein Fest für Detail-Liebhaber und Nostalgiker! Obwohl… Kann man es Nostalgie nennen, wenn man zu der Zeit noch nicht mal im Ansatz am Leben war? Die Bilder entstanden alle so 5–15 Jahre vor der Zeit von J und mir und trotzdem erkannten wir genug Versatzstücke wieder, um auf eine kleine Zeitreise zu gehen. In eine Zeit mit Langnese-Abfalleimern, Kippen- und Kaugummiautomaten, Werbung für erfrischenden Malztrunk oder Rollmops für 1,30 DM und Ladenschildern, die mit völliger Selbstverständlichkeit mit den Namen der Inhaber*innen versehenen sind. Eine Zeit, in der Kioske als Ort der Begegnung und des alltäglichen Lebens vielleicht eine ähnlich große Bedeutung hatten, wie vor kurzem während der Corona-Pandemie.

Ja, ja, die nostalgische Verklärung kickt schon hart. Schön, dass wir uns ihr ganz harmlos hingeben konnten. Wir hatten eine diebische Freude am Inspizieren dieser kleinen 2D-Dioramas und wenn Anzahl der gekauften Postkarten im Museumsshop ein Indikator ist, dann hat es J ausgeprochen gut gefallen!

Nicht so gut gefallen hat uns die zweite Ausstellung im Haus. Im Rahmen des Programms Artist Meets Archive der Internationalen Photoszene Köln will Elena Efeoglou Realität und Fiktion durch den Einsatz von „künstlicher Intelligenz“ verschwimmen lassen und neue narrative Potenziale ausschöpfen. Kurz sacken lassen und sich dann lachend ereifern und wundern, wieviel prätentiöse Kackscheiße man in einen Satz packen kann. Das einzige, was da verschwamm, waren meine Augen vor Lachen über die eklatante Mittelmäßigkeit der generierten Bilder und die vor Klischees und Pathos triefenden generierten Texte. Nein, das war wirklich gar nichts. Außer vielleicht ein weiteres Indiz dafür, dass KI den Künstler*innen genau die Arbeit abnimmt, die eine eigentlich spannende Idee auch zu einem wirklich spannenden Ergebnis—und nicht zu diesem Shitfest der weichgespülten Bedeutungslosigkeit—geführt hätte.

Während ich diese Worte schreibe, setzt schon das schlechte Gewissen ein. Denn jede Art künstlerischer Auseinandersetzung verdient meinen Respekt. Womit wir beim Kern der Sache, dem Kunstbegriff, wären und wieviel KI-Geschiss dieser vertragen kann. Das führt hier aber zu weit. Lieber frage ich J, ob sie vielleicht ihre Gedanken hier teilen will. Ich jedenfalls verspüre vor allem Wut und eine schleichende Angst. Die Highlights im Raum: die Originalphotos von August Sander, die als Teil des Prompts herhalten mussten.

Ich fühle mich nur der Sache selbst verpflichtet, meinte Tata Ronkholz 1979 zur Dokumentarphotographie. Die dokumentierte Sache selbst ist in diesem Fall der phänomenale Cheesecake, egal ob salted caramel oder strawberry. Eingefangen von J.

Genug vom intelektuellen Teil, hin zu Kaffee und Kuchen. Damit versorgte uns das Café Hommage in der Friesenstraße. Bissl Leute gucken, bissl über das Leben und die Kreativität reden, bissl Cheesecake. Mit lecker Kaffee von Barista Falko. Ein paar ernste Themen angepackt. Ein ziemlich perfekter Abschluss eines ziemlich perfekten Nachmittags. Dankbarkeit und Demut all the way.