Reconstruction Tour 2025 in der Live Music Hall

Das war ein verdammt guter Querschnitt durch das Genre und ein Fest für die vielen Facetten von Punk-Musik. Oder wie L meinte, ein schönes Klassentreffen. Tatsächlich habe ich nur mit J1 und A gerechnet, die zum letzten Song der ersten Band Dead Pioneers ankamen. Wenige Minuten später lief uns L in die Arme und draußen am Merch-Stand dann J2 und S. Punk-Rock-Abend mit lieben und teils lange nicht mehr gesehenen Freunden? Äh, JA, bitte!

Der Reihe nach: Die Dead Pioneers steuerten den politischen und wütenden Punk bei, mit Songs um die Zweiminuten-Marke und viel food for thought was die Welt, US-amerikanische Politik und ihre eigenen indigenen Wurzeln angeht. Musikalisch nicht meins, aber ich bin mir sicher, dass Punk-Puristen ihre Freude damit hatten.

Dann übernahmen The Iron Roses den Staffelstab und machten die Bühne ungleich lebendiger, bunter und melodiöser. Das Sextett lieferte poppige und höchst tanzbare Punk-Rock-Nummern mit eingesprenkelten Ska-Einflüssen—zum Beispiel beim Album-Opener Screaming for a Change—und Nathan/Natasha Grays unnachahmlicher Stimme, die ich beim Boysetsfire-Konzert im letzten Oktober schon derbe gefeiert habe. Sehr schön, endlich ihr aktuelles Band-Projekt live gesehen zu haben, zumal die anderen Musiker*innen auch richtig Bock hatten und die zweite Sängerin, Becky Fontaine, hervorragend mit Natasha harmonierte. Ich ärgere mich sehr, dass ich die Vinyl nicht mitgenommen habe. Wird nachgeholt!

Szenenwechsel und auf einmal gibt es auf die Zwölf von Comeback Kid! Seltsame Geschichte mit mir und den Hardcore-Mannen aus Winnipeg… ich habe die eine Zeit lang während meines Studiums und als Teil meiner Musikgeschmack-Emanzipation richtig gern und viel gehört. Heute hatte ich aber das Gefühl dieser Art von Musik entwachsen zu sein. Ich konnte Sound und Attitüde auf der Bühne nicht gut haben. Positive Randnotiz: Ein guter Stresstest für meinen Gehörschutz von Senner, empfohlen von Marc.

Die nächste Band kommt aus der gleichen Stadt wie Comeback Kid, haben aber einen völlig anderen Sound drauf: Propagandhi enterten die Bühne! Vielleicht die versiertesten Musiker des Abends, mit den komplexesten Kompositionen. Hat mir ausgesprochen gut gefallen! Ich war etwas geschockt, dass die Band schon seit 1986 (!!!) Musik macht, während sie bei mir erst so in den letzten fünf Jahren angekommen ist. Borderline peinlich, aber dafür habe ich jetzt eine fette Diskographie zu entdecken. Ich freu mich drauf!

Für den Abschluss des Abends war Pennywise zuständig, die schon genauso lange Musik machen, wie ich auf der Welt bin, und zu den unumstrittenen Klassikern des Genres zählen. Keine Ahnung, ob ich wegen des bescheidenen Wetters und des sehr gewöhnungsbedürftigen Publikums etwas stinkig war oder ob die mit Ignite-Sänger Zoli Téglás aufgenommene Pennywise-Platte All Or Nothing in mir immer noch einen Abwechslungsreichtum und Sound suggeriert, den die Band—mittlerweile wieder mit Gründungsmitglied Jim Lindberg als Sänger—so live nicht produzieren kann. Auf jeden Fall gingen mir die uninspirierten Anmoderationen à la You sexy motherfuckers! mächtig gegen den Strich und auch ihre Hits wollten an diesem Abend einfach nicht verfangen. Wurscht, denn während ich diese Zeilen schreibe, läuft All Or Nothing wenigstens auf dem Plattenteller.

Insgesamt betrachtet war das heute kein Highlight-Konzert. Aber ich habe viel neue Musik-Inspiration mitgenommen und Zeit mit J1, A und L verbringen ist eh immer eine tolle Sache! Und wer weiß, vielleicht war das Wiedersehen mit S und J2 ja der Startschuss für wiederaufkeimende Kumpelei. Alles in allem ein sehr schöner Abend!