Stadtrevue Goes Genossenschaft
Ich komme gerade von der Quo-vadis-Stadtrevue-Veranstaltung im Bürgerhaus Stollwerck. Ich will voranstellen: Meine Begeisterung und Unterstützung für Kölns bestes lokaljournalistisches Produkt ist ungebrochen. Ich bin sehr gespannt, wie es für die Stadtrevue weitergeht, drücke alle Daumen und will gern bei allen Schritten dabeisein.
Aber die Veranstaltung heute war halbgar und hat mehr Fragen generiert als beantwortet. Was war der Ausgangspunkt? Die Stadtrevue leidet—wie viele Print-Medien—unter dem sterbenden Anzeigenmarkt, den Spätfolgen und Krediten aus der Corona-Zeit und unter gestiegenen Preisen im Zuge der russischen Invasion in der Ukraine und anderer globaler Krisen. Eine orchestrierte Rettungsaktion letztes Jahr hatte über 2000 neue Abonnenten zur Folge, aber auch diese konnten das strukturelle Defizit eines niedrig-zweistelligen Tausenderbetrags pro Monat nicht nachhaltig ausgleichen.
Das Ergebnis war ein Antrag auf vorläufige Insolvenz in Eigenverwaltung, die gleichzeitig als Startschuss für eine selbstverantwortete Sanierung des Verlags fungieren soll. Im Zuge dessen wurde im August der Verein StadtRecherche gegründet. Bis Jahresende soll die Stadtrevue GmbH im Rahmen der Insolvenz aufgelöst sein und durch eine Genossenschaft ersetzt werden. Alle Leser:innen und Interessenten sind eingeladen, Mitglieder im Verein und Genoss:innen im neuen Kollektiv zu werden.
All das erfuhren wir von Chrissy Prediger (Co-Geschäftsführerin Stadtrevue), Wolfram Fischer (Vorstand Stadtrecherche e.V.), Jürgen Salm (Gründungsmitglied Stadtrecherche e.V.) und Felix Klopotek (Redaktion Stadtrevue), die alle sympathisch und optimistisch durch den Abend führten. Aber bei den zahlreichen Fragen der ca. 100 Anwesenden kamen sie spürbar ins Schwimmen:
- Was genau ist der Unterschied zwischen dem Verein und der Genossenschaft? Wer finanziert was?
- Das strukturelle Minus des Verlags soll weder Verein noch Genossenschaft langfristig decken müssen. Wie genau wird es also ausgeglichen?
- Was passiert mit den Genossenschaftsanteilen? Wenn damit am Kapitalmarkt keine Gewinne erwirtschaftet werden sollen, was dann?
- Was ist die Erfolgsmetrik dieser ganzen Unternehmung?
Bestimmte Fragen kamen immer wieder auf, da keiner der Panel-Teilnehmer:innen sie zufriedenstellend beantworten konnte. Nicht nur einmal ging ein Raunen durch die Anwesenden. Die Insolvenz und die schwammigen Zukunftsvisionen schienen die Leute zu verunsichern—und wir reden hier von der Hardcore-Fan-Basis der Stadtrevue! Die Fragen kamen nicht von bösartigen Skeptikern, sondern von langjährigen Abonnenten mit besten Intentionen. Nicht wenige der Fragen wurden eingeleitet mit „Ich will ja unbedingt Genoss:in werden, aber…“
Ich finde es sehr löblich, dass die Verantwortlichen uns in so einem frühen Stadium der Genossenschaftsgründung im Namen der Transparenz mit ins Boot holen wollen. Aber wenn die Stadtrevue neben ihrem Kernklientel wirklich neue Menschen erreichen will, müssen die nächsten Veranstaltungen noch besser vorbereitet und im Team abgestimmt sein.
Was nehme ich also mit von diesem Abend? Ganz grob habe ich es so verstanden: Die Genossenschaft wird die neue Gesellschaftsform der Stadtrevue und das Kapital soll den Verlag auf eine finanziell breitere und sicherere Basis stellen. Die eingezahlten Genossenschaftsanteile sind vor allem als politisches Investment in einen stabilen Lokaljournalismus zu verstehen. Der Verein hingegen soll eine Art Rechercheförderung sein und auch bisher eher stiefmütterlich behandelte Themen wie Digitalisierung, Podcast, Entwicklung neuer Formate finanzieren. Vereinsmitglied kann mensch heute schon werden, einfach eine Email an info@stadtrecherche.de schicken. Genoss:in werden dauert noch etwas, soll aber bis Ende des Jahres auch möglich werden.
Ich werde definitiv beides! Weil politische Teilhabe und Einsatz für die Demokratie schon beim Lokaljournalismus anfängt. Weil unsere Regierung dem Lokaljournalismus die Gemeinnützigkeit abspricht—was ein verdammter Witz ist und mit persönlichem Engagement und Investment bekämpft gehört! Weil wir in einer Welt leben, in der große Konzerne und rechte Kräfte immer frecher und schamloser den öffentlichen Diskurs steuern und sich anmaßen—perfiderweise unter Berufung auf die Meinungsfreiheit—zu entscheiden, was gesagt werden darf. Kurzum: Die Stadtrevue zu unterstützen ist Teil meines linkspolitischen Selbstverständnisses. Oder wie einer der Fragensteller so schön sagte: Ich will die Stadtrevue ja auch unterstützen, weil ich an die kollektivistische Utopie dahinter glaube.